PRESS: Auf der Suche nach der radikalen Mitte by Deutschlandfunk Kultur

Source: Deutschlandfunk Kultur
By Adelheid Wedel
03.09.2018

PRESS TEXT

Auf der Suche nach der radikalen Mitte

Wenn die Mitte still stehe, wecke sie kein Interesse, kommentiert die „Welt“. Daher bedürfe es einer neuen „realistischen Radikalität“ bei CDU und SPD – statt dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

„Es brennt überall in Sachsen“, titelt die Tageszeitung TAZ und zitiert damit Kerstin Köditz. Sie ist Abgeordnete der Linken im sächsischen Landtag und Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion. Sie ergänzt den Satz: „Es brennt nicht nur in Chemnitz.“ Rechter Hass und Hetze seien nirgendwo so fest verankert wie in Sachsen. Köditz klagt an: „Schuld sind vor allem die Regierenden der vergangenen Jahrzehnte. Wenn sie jetzt nach einer mutigeren, aktiveren Zivilgesellschaft rufen, ist das zynisch.“ Die Abgeordnete erklärt, sie habe auch „kein Konzept dafür, wie ein Problem schnell gelöst werden könnte, dessen jetziges Zwischenstadium sich über zwanzig Jahre nahezu ungestört entwickeln konnte.“ Jetzt brauche man die zivilgesellschaftlichen Gruppen, „um von der eigenen Untätigkeit und Unfähigkeit abzulenken. Um tunlichst im Bewusstsein der Bevölkerung auszublenden, dass die sächsische CDU mehrheitlich ihr Heil darin sucht, die AfD rechts zu überholen.“

Die Idee der Arbeiterbewegung war radikal

In der Tageszeitung DIE WELT hält Yannick Haan „ein Plädoyer für eine radikale Mitte“. Er konstatiert: „Unsere Gesellschaft unterliegt derzeit einer Phase des radikalen Wandels. Die Asymmetrie zwischen der Größe der angebotenen Lösungen und der Größe der Herausforderungen wird immer größer.“ Daraus leitet er ab: „Die politische Mitte, also CDU und SPD, braucht daher wieder eine neue realistische Radikalität.“ Er erinnert daran: „Als die SPD vor über 150 Jahren gegründet wurde, war die Idee der Arbeiterbewegung eine radikale Idee.“ Heute stehe die Mitte aber vor allem für Stillstand und den kleinsten gemeinsamen Nenner. Damit würde keine Lust zur Mitte geweckt, kein Interesse, „eine Partei der Mitte zu wählen.“
Eine weitere Antwort auf die Frage „Was wir jetzt brauchen“ gibt Juri Sternburg in der Tageszeitung TAZ. „Die Zeit zu reden ist vorbei“, stellt er kühl fest und empfiehlt: „Je mehr die AfD und ihre faschistischen Horden zu Wort kommen, je mehr die faschistische Sprache normal wird (und das wird sie bereits in erschreckendem Maße) und je weniger militanten Widerstand wir leisten, desto normaler wird Faschismus. „Macht es Ihnen nicht so leicht“, setzt er beschwörend hinzu.

Weißwaschen mit Kretschmer

Im TAGESSPIEGEL kommentiert Gerd Appenzeller die Talkrunde bei Anne Will zum Geschehen in Chemnitz. Er kritisiert den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer: „Er beharrte, weißzuwaschen, wo erkennbar Schmutz gewesen ist.“ Bis zum Ende dabei geblieben zu sein, lohnte sich aus seiner Sicht vor allem wegen Petra Köpping. Die sächsische Ministerin für Gleichstellung und Integration forderte dazu auf, „mit dem Pauschalisieren aufzuhören“. Appenzeller urteilt: „Mehr Denken à la Köpping und weniger Rechthaberei im Stile Kretschmers könnten das Land weiter bringen“.
Von „einem sicheren Hafen für Künstler“ berichtet die TAZ. Das Netzwerk „Artist at Risk“ aus Helsinki organisiert Residenzen für politisch verfolgte Künstler aus aller Welt. Eva-Christina Meier informiert: „Nun ziehen auch deutsche Kulturinstitute nach“. Ein Symposium in den Nordischen Botschaften in Berlin „dokumentiert anhand der Erfahrungen betroffener Künstler die Dringlichkeit und Perspektiven des Notprogramms.“

Berliner Basar der Weltliteratur

Elf Tage lang empfängt Berlin 200 Gäste aus 50 Ländern. So knapp ließe sich das an diesem Mittwoch beginnende 18. Internationale Literaturfestival Berlin zusammenfassen. „Ein Kulturangebot von verwirrender Fülle“ offeriert der TAGESSPIEGEL seinen Lesern, und erfindet für dieses Ereignis Namen wie „Basar der Weltliteratur, intellektuelle Diskursmaschine und politische Bühne für die Wahrung universaler Menschenrechte.“ An diesem Mittwoch geht der Vorhang auf für internationale und nationale Romanpremieren, zu denen neben deutschen Autoren aus Irland, Georgien, Großbritannien den USA, Russland, Frankreich Italien, Kanada und Indien erwartet werden.