PRESSEMITTEILUNG
- Dezember 2021
Zur sofortigen Veröffentlichung (Eilübersetzung aus dem Englischen)
Afghanische Kulturschaffende bitten internationale Politik verzweifelt um Hilfe
Eine Gruppe afghanischer Künstler*innen und Kulturschaffender vertraute der unabhängigen Hilfsorganisation Artists at Risk (AR) einen drängenden Brief zur Veröffentlichung an. (Das Schreiben in Englisch, Französisch, Deutsch oder Farsi mit allen Pressematerialien finden Sie hier: https://cutt.ly/qYjh6uF.) Die Unterzeichnenden dieses Briefes mussten gezwungenermaßen alles hinter sich lassen und leben nun in Angst, versteckt oder auf der Flucht vor den Taliban. Als Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen verwendet die Gruppe anstelle von namentlichen Unterschriften Portraitfotografien, auf denen ihre Gesichter durch Schilder verdeckt sind, die ihre kreativen Berufe zur Schau tragen. Dieser Brief und die dazugehörigen Signatur-Fotos sind ein Schrei der Verzweiflung und ein Flehen um Rettung aus ihrer unerträglichen Lage.
Artists at Risk (AR) leitet diesen Brief an die rechtmäßigen Empfänger weiter:
US-Präsident Biden
Deutscher Bundeskanzler Scholz
Französischer Präsident Macron
UK Premierminister Johnson
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen
NATO-Generalsekretär Stoltenberg
UN-Generalsekretär Guterres
und Regierungen und Menschen der Welt
Wie die Unterzeichnenden unverhohlen schreiben, muss die “wertvolle Kultur und der Geist der afghanischen Bevölkerung für künftige Generationen lebendig bleiben”. Zu diesem Zweck fordern Artists at Risk (AR) respektvoll, aber nachdrücklich die sofortige Bereitstellung von Visa-Dokumenten und Ressourcen für Künstler*innen und Kreative, die der schweren Verfolgung unter der Taliban-Herrschaft entkommen wollen.
Die Taliban betrachten fast alle Künste als gegen das islamische Gesetz verstoßend. Darüber hinaus, so Marita Muukkonen, Mitbegründerin und Direktorin von AR, “sind Kulturaktivist*innen oft prominente Stimmen der Modernisierung, für demokratische Freiheiten und säkulares Denken. Persönlichkeiten, die in den letzten zwei Jahrzehnten eine Anti-Taliban-Haltung eingenommen haben, werden aktiv verfolgt und hart bestraft, sogar mit dem Tod.”
Die Welt hat die chaotische Evakuierung Afghanistans als tragische Eilmeldung miterlebt. Schlimmer noch: Mit dem Abzug des US-Militärs und seiner Verbündeten am 31. August 2021 entstand der Eindruck, dass das Fenster der Möglichkeiten zugeschlagen wurde. Diese Wahrnehmung der Situation ist nicht nur falsch, sondern hat es westlichen Politiker*innen und anderen Verantwortung Tragenden auch ermöglicht, in Bezug auf die verheerende Krise der gesamten nicht zu den Taliban zählenden Bevölkerung ihre Hände in Unschuld zu waschen.
“Aber das Fenster ist noch offen. Der Flugverkehr ist wieder aufgenommen worden. Die Landesgrenzen sind keineswegs hermetisch, Tausende sind in Nachbarländer geflohen. Das Problem ist ein grundlegend anderes: die westlichen Regierungen haben die Ausstellung von Visa gestoppt oder verzögert”, unterstreicht Marita Muukkonen.
Die Bilder von Tausenden Afghan*innen, die versuchten, nach dem rasanten Zusammenbruch des vom Westen unterstützten Regimes aus dem Land zu fliehen, sind uns allen noch lebhaft vor Augen. Doch nur diejenigen, die den westlichen militärischen und diplomatischen Vertretungen am nächsten standen, hatten das Privileg, den Flughafen von Kabul zu erreichen. Weitgehend vergessen wurden Künstler*innen und andere Kreativschaffende, die von den Taliban allein aufgrund ihrer Berufe als “haram” (verboten) angesehen werden. Dabei handelt es sich aber um dieselben kreativen Kräfte, die für die Wiederbelebung ihres Landes nach Jahrzehnten des Krieges und der Intoleranz mit ihrer Kunst gekämpft hatten.
“Wir sollten nicht vergessen, mit welcher Furchtlosigkeit Kulturschaffende gegen den Fundamentalismus angetreten sind. Die Zivilgesellschaft stand im Zentrum der westlichen Vergewisserungen, ‘Herzen und Köpfe’ gegen die Ideologie zu gewinnen, die den 11. September 2001 ausgelöst hat. Einst fröhlich ermuntert, werden Künstler*innen nun einem harten Schicksal überlassen”, so Ivor Stodolsky, Mitbegründer und Direktor von AR.
“Seit dem Fiasko der Machtergreifung der Taliban,” , fügte Stodolsky hinzu, “haben internationale Regierungen es trotz der Bemühungen vieler Kulturorganisationen versäumt, afghanische Kulturschaffende als systematisch gefährdet anzuerkennen. Die Dringlichkeit der Situation wurde ignoriert. Abgesehen von vergleichsweise wenigen frühzeitigen Evakuierungen wurde die Mehrheit der gefährdeten Kulturschaffenden in Afghanistan und in nicht sicheren Drittländern zurückgelassen.”
Als Übermittelnde dieses Schreibens fordern wir respektvoll aber nachdrücklich, dass umgehend Maßnahmen ergriffen werden, um diesen gefährdeten Künstler*innen und Kreativen eine sofortige sichere Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen. Kurz gesagt ist dieser Brief ein Appell an die Regierungschef*innen der Welt, die Leben dieser Kulturschaffenden zu retten.
Hashtag: #AfghanArtistsatRisk
Wir wenden uns insbesondere an die Medien sowie an alle unsere Partner und Netzwerke, um die Stimmen der mutigen afghanischen Kulturschaffenden zu verstärken, indem wir ihre Worte und Bilder an eine möglichst breite Öffentlichkeit weitergeben.
Für Presseanfragen wenden Sie sich bitte an
E-Mail: [email protected]
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Über Artists at Risk (AR)
ARTISTS at RISK (AR) ist eine gemeinnützige transnationale Institution an der Schnittstelle von Menschenrechten und Künsten. Als Plattform, die sich für verfolgte Künstler*innen und Kulturschaffende einsetzt, umfasst die Arbeit von AR die Betreuung und Interessenvertretung von besonders gefährdeten Kunstakteuren, die Deckung ihrer unmittelbaren praktischen Bedürfnisse und die Förderung ihrer künstlerischen Praxis. AR ermöglicht es diesen Künstler*innen, in einem Artists-at-Risk (AR) Safe Haven (oder auf deutsch, in einem sicheren Hafen für Künstler*innen in Not) ihr künstlerisches Schaffen fortzusetzen. Das AR-Netzwerk umfasst weltweit über 20 Künstlerresidenzen. Die von AR eingeladenen Künstler*innen sind als Ehrengäste nicht nur eine große Bereicherung für ihre Gastländer, sie können so auch wesentlich zum Wiederaufbau ihrer oft vom Krieg zerstörten Herkunftsländer beitragen.